„Finanzkraft sichern – Handlungsfähigkeit gewinnen – Entscheidungen treffen“

Fraktionsvorsitzender Walter Lochmann

Wir diskutieren heute die teilweise unausgegorenen Vorschläge der CDU-FDP – Koalition und des Kämmerers zur Ergebnis- und Finanzplanung bis 2020 – und sind überrascht, dass Selbstverständlichkeiten wie das Überprüfen der Gebührenhöhe und die Sinnhaftigkeit von Mitgliedschaften und Zuschüssen als neue Ideen zur Kosteneinsparung vorgestellt werden. Unsere Ideen zur Haushaltssanierung orientieren sich am Dreiklang „Finanzkraft sichern – Handlungsfähigkeit gewinnen – Entscheidungen treffen“. Wir sind der Überzeugung, dass den Kommunen ausreichend Finanzmittel zur Verfügung zu stellen sind, damit diese ihren Aufgaben nachkommen können und dafür auskömmlich finanziert sind. Dass hier –Stichwort Kinderbetreuung einiges im Argen liegt und Aufgaben auf die Kommunen übertragen werden, ohne diese im Gegenzug anständig zu finanzieren, ist eine ernsthafte Belastung für die Kommunen, auch für Bad Vilbel. Eine massive Belastung waren allerdings die unter der damaligen CDU-FDP vorgenommenen Änderungen im KFA, die den Kommunen rund 350 Mio € weggenommen haben und die nur durch ein Gerichtsverfahren in Ansätzen korrigiert werden, auch schwarz-grün hat versäumt, die Finanzkraft der Kommunen zu stärken. Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, dass wirtschaftliche Entwicklung und eine gute Infrastruktur im Bereich Wohnen, Bildung, Betreuung, Soziales und Kultur zur Lebensqualität beitragen und erhalten, in Teilen ausgebaut werden müssen. wir als Stadt eigene Entscheidungen treffen können, die finanziell ins Gewicht fallen. Das sind

  • die Grundsteuer B
  • die privaten und öffentlich-rechtlichen Leistungsentgelte
  • die Gewerbesteuer.

Die SPD ist der Auffassung, dass die Grundsteuer B nicht erhöht werden soll, dass bei den Leistungsentgelten konkrete Zahlen auf den Tisch des Hauses gehören, wie hoch beispielsweise die Friedhofsgebühren steigen sollen und vor einer möglichen Erhöhung der KiTa-Gebühren brauchen wir die Auswertung, wie sich die unlängst beschlossenen Satzung mit den gestaffelten Gebühren ausgewirkt hat. Und dann ist natürlich eine mäßige und kontinuierliche Steigerung der bessere Weg, über die Höhe der Gebühren wird dann zu gegebener Zeit zu diskutieren sein. Wir wissen, dass nicht alle Stellen im KiTa-Bereich besetzt sind, also müssen wir hier möglicherweise mehr Geld in die Hand nehmen. Das sich das lohnt, zeigt doch ein Blick in den in absoluten Zahlen höchsten Ertrag: den Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer, der für 2013 mit 19,7 Mio € beziffert wird und in 2020 auf knapp 30 Mio € steigen soll. Einkommenssteuer wird nur bezahlt, wenn man –und frau – arbeiten, und arbeiten gehen wird in großem Umfang ermöglicht, wenn die Kinder gut betreut sind. So sind die 7,7 Mio € gut angelegt, Studien gehen davon aus, dass jeder hier investierte Euro gesamtstaatliche Mehreinnahmen generiert.
Entscheidungen treffen ist unser Stichwort: liest man die Verlautbarungen, sitzt in Friedberg ein SPD-Landrat, der die Kommunen jetzt zu allerlei unangenehmen Dingen zwingt. Mindestens der Kämmerer, wahrscheinlich aber auch Irene Utter und Jörg Uwe Hahn, wissen doch genau, dass der Landrat als Kommunalaufsicht und quasi weisungsgebunden handelt, in dem er den Beuth-Erlass umsetzt. Übrigens den gleichen Beuth-Erlass, der sich auch zum Thema „Gewerbesteuer“ äußert. Da dieser Sachverhalt offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen wird, will ich gerne aus dem Erlass zitieren:
„Bei einer Anhebung…sind mögliche Folgewirkungen, z. B. in Bezug auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen am Standort in die Abwägung miteinzubeziehen“ und weiter „Bei anhaltend defizitären Kommunen sind Gewerbesteuerhebesätze unter dem FAG-Nivellierungshebesatz von 310% nicht akzeptabel. Die Kommunalaufsicht hat darauf zu achten, dass defizitäre Kommunen sich und den bei ihr ansässigen Gewerbebetrieben nicht zu Lasten anderer Kommunen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen“.
Davon hört man in BV nichts – sondern aus parteipolitischen Beweggründen wird das Spielchen vom „bösen Landrat“ gespielt. Die Gewerbesteuereinnahmen sind volatil, das ist ein Problem. Sie schwanken, weil sie Gewinne besteuern. Für die Erträge großer Firmen sind eher die Entwicklungen in der Ukraine, Veränderungen im Verbraucherverhalten, gute Aufträge oder innovative Produkte entscheidend. Der Hebesatz ist einer von vielen Faktoren, der eine Standortentscheidung beeinflusst. Dass ein niedriger Hebesatz Gewerbe anlockt, lässt sich –trotz einzelner prominenter Gegenbeispiele- empirisch NICHT belegen. Sonst hätten alle Kommunen keine Gewerbeansiedlungen, deren Hebesatz über 280% liegt, das ist offenkundig nicht so. Wenn eine Absenkung des Hebesatzes Unternehmen anziehen würde, wäre ja die Vermarktung des Quellenparks kein Problem.
Und Hochtief, Radeberger und auch Segmüller hatten ja offensichtlich andere gute Gründe, sich für BV zu entscheiden. Wer der Auffassung ist, dass Vilbeler Gewerbegebiet als „Premium-Standort“ zu vermarkten ist, muss auch bei den Hebesätzen Premium sein und das Gebiet nicht unter Wert verkaufen. Also deutliches Plädoyer für eine mäßige Anhebung des Hebesatzes. Die Zahlen des Kämmerers sind in diesem Punkt leicht irreführend: wenn wie geplant, der Hebesatz in zwei Schritten noch weiter unter den Hebesatz von 310% sinkt, zahlen wir zu viele Umlagen. Und vor allem beteiligen wir das Gewerbe nicht an der Finanzierung unserer Infrastruktur, sondern verzichten auf mögliche Steuereinnahmen. Und hier reden wir von Summen, die wesentlich zur Sanierung des Haushalts beitragen. Selbst bei 10 Mio € Gewerbesteuereinnahmen könnten wir mit rund 1,3 Mio € Einnahmen rechnen – so viele Mitgliedschaften in Vereinen hat die Stadt gar nicht, um diesen Betrag einzusparen. Unter 310% ist wirtschaftlich unsinnig, über eine schrittweise Anhebung können wir diskutieren. Und mich interessiert, ab welcher Summe denn die Fraktionsvorsitzende der CDU „erhebliche finanzielle Nachteile“ im Kommunalen Finanzausgleich sieht, damit die CDU sich dann zu einer dann „unumgänglichen Anhebung“ -so Irene Utter in den letztjährigen HH-Beratungen- bemüßigt fühlt.
Wenn sich gewerbesteuerzahlende Unternehmen ansiedeln, sind in den ersten Jahren keine nennenswerten Einnahmen zu erwarten. Der Kämmerer rechnet aber mit Mehreinnahmen von mehr als drei Millionen. Das kann nur bedeuten, die jetzt ansässigen Unternehmen steigern hoffentlich wieder ihre Gewinne und sind dann in der Lage, einen Hebesatz von mindestens 310% zu tragen. Aber CDU und FDP tun genau das, wovor der CDU-Innenminister Beuth gewarnt hat: wir verschaffen zu Lasten anderer Kommunen uns und den Gewerbebetrieben einen Wettbewerbsvorteil. Eine –selbst wenn es klappen würde- sehr kurzsichtige Politik, denn wenn ein „Premiumstandort“ auf 280% absenkt, was bleibt den weniger guten Standorten übrig als auch weiter abzusenken und so eine Spirale in Gang zu setzen, die die kommunale Handlungsfähigkeit massiv einschränkt, weil auf mögliche Gewerbesteuereinnahmen verzichtet wird. Und was nutzen uns Unternehmen, deren Standorttreue von einigen Zehnerschritten beim Hebesatz abhängt?
Dass erst ein nicht genehmigter Haushalt Sanierungsvorschläge erzwingt, halten wir für bezeichnend –die Schwierigkeit der Situation wird offensichtlich nicht richtig erkannt, nicht immer wird optimal gewirtschaftet. Einige Beispiele: Beim Verkauf an Segmüller hat die Stadt auf eine Ausschreibung verzichtet und damit möglicherweise auf Mehreinnahmen. In Dortelweil wurde aus nicht nachvollziehbaren Gründen ein Grundstück mutmaßlich deutlich unter dem Verkehrswert verkauft, das diskutieren wir heute noch. Selbst beim Verkauf an Büscher gab es ein Angebot, dass einen Tick mehr Geld in die Kasse gebracht hätte – aber es gibt ja keine Planung, keine Übersichten, keine Möglichkeiten abzuwägen – die Verfahren sind nicht sonderlich transparent, sondern es geht immer nach dem Motto „Friß oder stirb“. An anderer Stelle werden einige Zehntausend Euro in ein Gutachten zur interkommunalen Zusammenarbeit gesteckt und auf die Umsetzung verzichtet, obwohl jährliche Einsparpotenziale von rund 100 T € möglich sind. Die Tatsache, dass Führungskräfte, wie jüngst die Leiterin der Stadtbibliothek, nicht gehalten werden können, wirft ein schlechtes Licht auf die Personalpolitik der Stadt Und das Prinzip Rasenmäher bei den Kürzungen ist falsch –richtig ist der zeitaufwändigere aber erfolgversprechendere Weg der Aufgabenkritik. Aufgabenkritik in der Verwaltung, bei den Zuschüssen für Vereine und die Feuerwehr, gemeinsam nach Einsparpotentialen suchen – so stellen wir uns good governance vor. Die Vilbeler Sozialdemokratie warnt ausdrücklich davor, bei Vereinen wie Wildwasser rigoros und mit fatalen Folgen die Zuschüsse zu streichen, nur weil deren Lobby schwächer ist.
Ich fasse zusammen: Wir erwarten kreative Ideen wie zum Beispiel die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude, neue Vorschläge, wenn auf Augenhöhe in der Verwaltung und bei Zuschüssen nach Einsparungs- und Optimierungspotential gesucht wird und einen erkennbaren Sparwillen. Wir plädieren nachdrücklich dafür, weiter in den Bereich KiTa/frühkindliche Betreuung und Bildung investieren, es lohnt sich auch finanziell. Durch bessere Planung sind Erträge zu optimieren, das gilt insbesondere für die interkommunale Zusammenarbeit und die weitere Erschließung des Quellenparks. Und dieser „Premiumstandort“ kann nicht als Billigmarke zu 280% verramscht werden.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit – und lassen Sie sich anstecken von unserer Überzeugung, kommunale Handlungsfähigkeit zu erlangen und ersparen Sie sich das Fingerzeigen auf die Kommunalaufsicht. Wir können es besser.

Walter Lochmann, 3. Juni 2014