
Die CDU/FDP Koalition hatte gestern in die Stadtverordnetenversammlung einen Antrag eingebracht das Radfahren auf der Bibliotheksbrücke zu verbieten. Die SPD empfindet das als Überregulierung. Leider kam es nicht dazu den Punkt zu diskutieren weil sich CDU und Grüne u.a. ausführlich in die Haare gerieten zu der Frage ob denn nun die Protokolle zukünftig als Wortprotokolle verfasst werden sollen.
Wir dokumentieren hier die Stellungnahme des Radverkehrsbeauftragten der Stadt, Dr. Joachim Brendel die an Stadtrat Frank adressiert war.
„Sehr geehrter Herr Frank,
als zuständigem Verkehrsdezernenten möchte ich Ihnen hiermit meine Stellungnahme als Radverkehrsbeauftragter zu o. g. Antrag übermitteln.
Die gewünschte Beschilderung würde das (vermeintliche) Problem nicht lösen. Erfahrungsgemäß halten sich gerade die rücksichtslosen Verkehrsteilnehmer, die man eigentlich treffen möchte, nicht an solche Schilder. Der vernünftigen hingegen steigen auch jetzt schon bei intensivem Verkehr ab. Auch eine Klärung der rechtlichen Situation würde nicht erzielt, da die Situation auch ohne Beschilderung eindeutig ist. Wenn ein Radfahrer den Verkehrsverhältnissen entsprechend unangemessen fährt und andere schädigt, trägt er nach §1 StVO auch die Schuld, unabhängig davon, ob es sich um einen Fußgängerweg (Zeichen 239) oder eine Mischfläche (keine Beschilderung) handelt. Die beantragte Beschilderung Zeichen 239 + Zusatzzeichen 1012-32 (Radfahrer absteigen) ist widersinnig, da Zeichen 239 allein bereits das Radfahren untersagt und damit ein Absteigen erzwingt. Das Zusatzzeichen 1012-32 ist rechtlich eher als Empfehlung anzusehen, die in Bereichen angebracht wird wo das Radfahren ansonsten erlaubt ist. Durch eine Beschilderung mit Zeichen 239 würde das Radfahren zu allen Zeiten untersagt. Also auch im Herbst, Winter, morgens, abends, bei schlechtem Wetter, an Werktagen, d. h. zu all den vielen Zeiten wo die Brücke nicht überbevölkert ist und das Fahren dort ohne Behinderung problemlos möglich wäre. Wollen wir das?
Auch wenn es um das Thema Sicherheit geht, ist die bestehende Regelung die beste, weil alle Verkehrsteilnehmer damit rechnen müssen, dass sie nicht allein sind und gegenseitig Rücksicht nehmen müssen. Auf einer reinen Fußgängerfläche können sich die Fußgänger hingegen in einer Scheinsicherheit wiegen. Manche gefährden sogar absichtlich Radfahrer (und sich selbst) weil sie ihr Recht an der Fußgängerfläche erzwingen wollen.
Ein wesentliches Problem nach der Anbringung weiterer Schilder wäre auch, deren Durchsetzung. Bereits jetzt gibt es viel zu viele Verstöße gegen Verkehrsanordnungen, die nicht mal in Ansätzen kontrolliert werden (können). Geschwindigkeiten in der 30er-Zonen werden nicht eingehalten. Bürgersteige werden widerrechtlich zugeparkt. Radler werden auf gefährliche Weise überholt. Radler (und nicht nur diese) fahren verkehrt gegen Einbahnstraßen. Bevor man immer mehr Schilder aufstellt, die am Ende niemand überwachen kann, sollte man zunächst die bestehenden durchsetzen – zumindest aber keine weiteren aufstellen, deren Sinnhaftigkeit nicht zwingend ist.
In der Praxis würde die Beschilderung also weder zu zusätzlicher Sicherheit noch zu weniger Konflikten verhelfen. Die Polizei bekäme mehr Anzeigen über Verstöße, um die sie sich nicht kümmern kann. Die ordentlichen Radfahrer ärgerten sich, dass sie dort immer absteigen müssen, auch wenn es gerade gar nicht nötig wäre. Die Fußgänger wünschten sich weitere Flächen nur für sich (gesamter Niddaplatz, stadtseitiger Niddauferweg). Die Radfahrer verlangten daraufhin eine ordentliche Beschilderung des neuen Radweges am Hallenbad als geteilter Rad-Fußweg, damit die Fußgänger nicht mehr nebeneinander auf dem asphaltierten Radweg laufen dürfen, und so weiter…. Wollen wir dieses Gegeneinander wirklich fördern?
Auch im Hinblick auf frühere Zusagen an die Radfahrer im Zusammenhang mit den Diskussionen um die Mediatheksbrücke und den Abriss der alten Brücke würde ich ein Verbot politisch problematisch sehen. Die Thematik des Fahrens gegen die Einbahnrichtung auf der Frankfurter Str. bekäme zusätzliches Gewicht, da sich die Ausweichmöglichkeiten nach Wegfall einer bisherigen Querungsmöglichkeit verschlechtert hätten.
Unsere bestehende Regelung ist völlig im Einklang mit den „Empfehlungen für Radfahrer und Fußgänger auf gemeinsamen Flächen“. Eine vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung geförderte Publikation zu diesem Thema finden Sie unter diesem Link:
http://www.nationaler-radverkehrsplan.de/transferstelle/downloads/for-i-09.pdf
Ich bitte Sie, sich dafür einzusetzen, dass uns dieser Rückschritt für das Miteinander in Bad Vilbel erspart bleibt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Joachim Brendel
Radverkehrsbeauftragter der Stadt Bad Vilbel“